Lisbeth Quartett There Is Only Make
2009 gegründet, seit 2012 paritätisch auf Berlin und New York verteilt, wurde das Lisbeth Quartett für seine zweite CD Constant Travellers mit einem Jazz-Echo als Newcomer des Jahres ausgezeichnet. Der Nachfolger Framed Frequencies (01/2014) erhielt auch international viel Lob, das folgende Live-Album dokumentierte die Spiel- und Improvisationsfreude der Band auf der Bühne.
Am 27. Oktober 2017 erscheint There Is Only Make. „Das neue Album ist mehr aus dem Bandprozess heraus entstanden als unsere früheren Studioproduktionen. Vor den Aufnahmen haben wir die Stücke in vielen Konzerten gemeinsam ausformuliert“, sagt Bandleaderin Charlotte Greve. Sie vergleicht den Prozess mit einem Maler, der nach und nach Details und Tiefe seines Bildes entwickelt. Das Ergebnis sind vielschichtige Stücke, die zwischen ruhigen Passagen und kräftigen Steigerungen oszillieren. Melodische Bögen und klare Formen, subtiles Zusammenspiel und moderne Haltung zeigen Gestaltungswillen und Charakter. Greves hintergründige, teils lyrische Kompositionen sind im besten Sinne zeitlos, vereinen Tiefgang, unaufdringliche Leichtigkeit und weite Spannungsbögen.
Natürlich steht Charlotte Greves Alt-Saxophon im Zentrum. Ihr leuchtender, schwebender Ton, die klaren bis verschlungenen Modulationen werden von ihren profilierten Partnern beflügelt. Marc Muellbauers distinguierte Basslinien sind viel mehr als nur Grundierung, Pianist Manuel Schmiedel kreiert phantasievolle Panoramen und Soli, Moritz Baumgärtners unkonventionelles, klangvoll-dynamisches Schlagzeugspiel befeuert rhythmische Finessen. Aus all dem entsteht der innige, pointierte Sound des Lisbeth Quartetts.
Völlig zu Recht hat die Altsaxophonistin Charlotte Greve in diesem Jahr den Deutschen Jazzpreis als Künstlerin des Jahres bekommen. Auf welchem Niveau ihre älteste und beständigste Band, das Lisbeth Quartett, mittlerweile angekommen ist, Beweis das neue Album „Release“. Auf 9 vorwiegend neuen Stücken spielen Greve, der Pianist Manuel Schmiedel, der Bassist Marc Muellbauer und der Schlagzeuger Moritz Baumgärtner auf so traumwandlerische Art und Weise zusammen, dass es eine Lust ist, ihnen zuzuhören. Der Duktus ist dabei vornehmlich sanft, obwohl auch einige Stücke, die man eindeutig nicht als Balladen einordnen kann, dabei sind. Bei „Arrow“ zum Beispiel, einem Uptempo-Stück, hat Greve versucht, ein Song „mit einem Rhythmus und einem schnelleren Tempo zu schreiben“, und auch den verwandelt das Quartett in pure Magie. Andere Songs sind von der Natur inspiriert wie etwa „Bayou“ von den Sümpfen Louisianas – hier spielt die Band mit kantigen, freien Einflüssen – oder „Le Mistral“, ein älterer Song von Muellbauer, der trotz seiner Düsterkeit aufbauend wirkt. Mit dem Titeltrack schließlich offenbart das Lisbeth Quartett seine ganze Klasse: Greves Speicher Saxofonton scheint aus dem Nichts zu kommen und verbindet sich mit dem Tänzelnden Schlagzeugstil Baumgärtners, während Schmiedels sanfter Anschlag tiefe Gelassenheit verbreitet und Muellbauers dezente, aber bestimmte Basstöne den Sound der Band sicher auf dem Boden verankern.
Rolf Thomas, jazzthetik, 7/8 2022